
Selbstkritik
[‚Sentimentalität hat eigentlich immer was mit Faschismus zu tun‘ – sehr grob nach Heiner Müller]
Der Lyriker Andreas Paul (nach einem Konzert am 24. August 2025 in Dresden):
„Die Musik ist sentimental, … aber immerhin manchmal traurig.“
Andreas Paul
RENITENZ (für Daniela Klette)
Daniela war im Plenum abgenickt
Enthielt sich ihrer Stimme portugiesisch
Sie hätte doch schon immer rumgezickt
War dann der Tenor. Was sich trennt das zieht sich
Sie könne immer noch Depots auffrischen
So aus der zweiten Reihe sei ihr Kampfplatz
Man wird nicht jünger, und von vollen Tischen
Sich zu bedienen macht ein Nebensatz
Bocksbeinigkeit in äußerster Umrahmung
Sei ihr bescheinigt, das macht sie so schnell
Ein halbes Leben illegal mit Ahnung
Auf bessre Zeit, nicht individuell
Wenn sie die Früchte ihres Gartens schaut
Gerastert über schwedische Gardinen
Wird immer noch ein Stückchen Hoffnung laut
Die Jugend reibt sich ab an Tellerminen
Viel mehr sind die Depots jetzt leider nicht
Die warn mit so viel Aufwand angelegt
Soviel Genossen rückten da ins Licht
Jetzt sind die meisten mehr als angesägt
Sich nicht beirren lassend singt sie ihr
Vertrautes Liedgut ab für jede Stunde
Das hält sie widerspenstig im Revier
Man stellt sich ein für eine neue Runde
Noch ist die R.A.F. nicht liquidiert
Man kriegt den Haufen einfach nicht gekehrt
Schwer prophezeit sich was aus morgen wird
Die Ausgestiegnen sind sich selber wert
Und ein gerüttelt Maß an Renitenz
Sei weiter Vorbild aller Konsequenz.
Wie einmal Phoenix, Arizona, sich aus der Asche erheben wird, um neu aufzubauen, so trat die ostberliner Band „Britannia Theatre“ bereits 2018, nach 20 Jahren Pause, wieder auf den Plan.
Gegründet 1992 in einem Kohlenkeller der Lottumstraße, spielten sie bis `98 über hundert Konzerte in sechs verschiedenen Ländern; rauchten ihre schiefsitzenden Anzüge auf, tranken Diesel und hauten in den Sack. Ihre drei vergriffenen Alben befinden sich in guten Händen, stehen neben Nachbarn wie Gallon Drunk oder Arcade Fire in wohlsortierten Regalen oder sind längst kaputtgegangen. Nach 30 Jahren und zwei Todesfällen – neben dem üblichen Herren-Gedeck immer noch mit Posaune, Cello, Akkordeon unterwegs –; knacken sie live die vermaledeite Nuß der Melancholie und hinterlassen nach Konzertende Lebensfreude.
Die Songs wirken wie „gegen Scheiben fliegende Rotkehlchen“1, „Therapiestunden für Selbstmörder“2, so „als ob die größte Pechsträhne aller Zeiten angefangen hätte …“3 – zu rufen.
Facebook (von Dadarski)